Haushaltsrede 2022 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.02.2022
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Sehr geehrte Damen und Herren
Zusätzlich zu den außergewöhnlichen Belastungen durch das Virus hat unsere Gemeinde im letzten Sommer auch noch das Hochwasser getroffen. Sind die Schäden vom 14.Juli zumindest materiell durch Zuschüsse gedeckt, wird der Finanzbedarf wegen Corona vermutlich sogar generationenübergreifend Auswirkungen haben. Die zugestandenen Virus-Bilanzierungshilfen von 1,8 Millionen in 2021 und nun nochmal 0,9 Millionen in diesem Jahr sind letztlich nur langfristige Schulden, die über Jahrzehnte verteilt von unseren Kindern und Enkelkindern zurückgezahlt werden müssen. Bund und Land muten diesbezüglich den ohnehin bereits gebeutelten Kommunen eine Menge zu. Gerade in NRW sind fast alle Städte und Gemeinden hoch verschuldet, meistens über eine massive Überziehung des Girokontos.
In Herscheid liegen diese Kassenkredite mittlerweile fast ständig bei 10 Millionen Euro und darüber, Geld was auch irgendwann zurückgezahlt werden muss. Und in den nächsten Jahren werden für dieses Konto vermutlich auch noch Zinsen fällig werden.
Die erforderlichen Investitionen der Gemeinde, vor allem für die kaum bezuschussten neuen Feuerwehrgerätehäuser in Rärin und demnächst in Herscheid, lassen aber keine Abzahlung von Krediten zu.
Wenn Bund und Land nicht bald eine Lösung finden, um die Kommunen aus der Schuldenfalle zu führen, muss man schwarz sehen, denn die Zinsen werden definitiv steigen. Gerade Wohnkommunen wie Herscheid müssen sich wegen geringer Gewerbesteuer abgehängt fühlen. Das Beispiel Mainz muss doch die Bundespolitik aufrütteln und schreit geradezu nach einer Reform zur gerechteren Verteilung der Gewerbesteuer.
Herscheid weiß sich momentan nicht anders zu helfen, als die eigenen Steuern auf Grundstücke und die Gewerbesteuer für die Industrie zu erhöhen, leider aber nicht um Schulden zu tilgen, sondern nur um Kosten zu decken und nötige Investitionen für Infrastruktur finanzieren zu können.
Und dabei hat die Verwaltung in den letzten Jahren noch vorbildliche Arbeit geleistet und hat alle Zuschuss-Töpfe anzapfen zu können die zur Verfügung stehen. Nur deswegen können wir mit einem tollen Bildungszentrum und mit einem schönen Freibad glänzen und werden demnächst auch noch eine schmucke Gemeinschaftshalle vorweisen können.
Wir Grünen hätten uns bei den kommunalen Steuererhöhungen mehr Ausgewogenheit gewünscht zwischen Privathaushalt und Gewerbe. Hausbesitzer und Mieter sind mit dem aktuellen Realeinkommensverlust und sehr hohen Energiepreisen bereits besonders belastet, da kommen hohe zusätzliche Kosten aus der Grundsteuer zur Unzeit.
Da eine Reduzierung der Grundsteuer B aus buchungstechnischen Gründen ( Bilanzierungshilfe ) aber nicht mit einer höheren Gewerbesteuer zu kompensieren wäre, soll es also leider bei der zusätzlichen Belastung für die Grundstücksbesitzer bleiben. Obwohl nicht nur von uns frühzeitig der große Hebesatz-Sprung der Grundsteuer B von 550 % auf 680 % kritisch bewertet wurde, hat die Verwaltung selbst keine Einsparung im Haushaltsansatz gesehen. Die Verantwortung dann auf die Politik zu schieben, die keine Einsparungen aufzeigte, ist aber auch nicht hilfreich.
Um weitere Mittel für Investitionen zu generieren, plant die Verwaltung ein weiteres Neubaugebiet für Wohnhäuser in den Bebauungsplan einzufügen. Vom Grundsatz her sehen wir einen weiteren Flächenverbrauch dafür eher kritisch. Wir würden natürlich bevorzugen, erstmal alle vorhandenen Baulücken zu schließen und leer stehende Altbauwohnungen zu renovieren. Da aber die Kommune leider kaum Einflussmöglichkeiten auf Privatbesitzer hat, bleibt dann wohl nichts anderes übrig als wieder ein neues Gebiet zu erschließen. Wir wollen jungen Familien, die ihre Zukunft zusammen mit Kindern mittlerweile eher wieder auf dem Land sehen, natürlich diese Möglichkeit nicht nehmen.
Weitere Ansiedlung von Gewerbebetrieben wäre aus finanzieller Sicht sicher auch erforderlich. Diesbezüglich sollten aber wirklich die vielen unschönen Industriebrachen Berücksichtigung finden, eher man weitere grüne Wiesen verbraucht und die Existenz der heimischen Landwirtschaft gefährdet. Zumal man davon ausgehen muss, dass die Landwirtschaft demnächst eher mehr Flächen braucht als weniger, will man von ihnen verlangen, ökologischer zu arbeiten.
Aus einer Vielzahl von Projekten für dieses Jahr sticht das Dorferneuerungskonzept für Hüinghausen heraus. Wir gehen davon aus, dass sich die Bürger vor Ort stark einbringen, damit ein nachhaltiges schönes Dorfbild entsteht.
Der Schutz des Klimas dürfte auch in Herscheid zur größten Herausforderung werden, wobei mit dem bereits existierenden Klimaschutzkonzept eine exzellente Richtschnur gelegt ist.
Mit einer Photovoltaikanlage auf dem Rathausdach einschließlich Akku für den Eigenverbrauch und einer Ladestation, einer weiteren Anlage auf dem Bildungszentrum, demnächst mit dem ersten elektrischen Auto im Fuhrpark und vor allem mit einem engagierten Klimaschutzmanager haben wir Grünen aber nun doch das Gefühl, dass der Klimaschutz auch in Herscheid angekommen ist.
Parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien sollte man allerdings nicht vergessen, eine entsprechende Widerstandskraft gegen klimatische Veränderungen aufzubauen. Wir haben positiv zur Kenntnis genommen, dass mit Andreas Voit eine kompetente Unterstützung gewonnen werden konnte. Speziell in Herscheid wird man dem Wasser an der ein oder anderen Stelle einfach mehr Raum zur Ausdehnung im Hochwasserfall geben müssen.
Außerdem sollten wir die gebeutelten Forstbauern im Blick halten. Uns erscheint es sinnvoll, auf hoch gelegenen Kalamitätsflächen die Erzeugung von regenerativem Strom zu ermöglichen. Wie sollen die Forstbesitzer und auch die Kommune mit ihrem Wald die Wiederaufforstung sonst stemmen, denn neue Bäume braucht der Wald auch, um die Bodenstruktur wieder als Wasserspeicher fit zu machen.
Wirklich stolz sein können wir in Herscheid auf unser neues Bildungszentrum. Die Verwaltung und die Politik haben in den letzten Jahren wirklich tolle Arbeit abgeliefert, um dieses Projekt finanziell stemmen zu können. Lehrer, Schüler und Eltern sind offensichtlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Jetzt muss nur noch der Virus verschwinden, um die übermäßige Belastung aller Beteiligten zu stoppen.
Wir finden ebenfalls gut, dass ein Teil der alten Grundschule stehen bleiben soll und für Bücherei, Gemeindearchiv und eventuell sogar für die Ansiedlung einer Musikschule genutzt werden soll. Bleibt nur noch für die Gebäude der ehemaligen Grundschule in Hüinghausen eine sinnvolle Nutzung zu finden.
Sorgen bereitet uns die jüngste Entwicklung zur haus- und kinderärztlichen Versorgung in Herscheid. Aber Politik und Verwaltung haben dieses Thema bereits im Fokus.
Zum Schluss müssen wir nun feststellen, dass wir Grünen intern keine einheitliche Befürwortung des Haushalts herbeiführen konnten. So sind wir der Ansicht, dass die Verwaltung hätte Einsparungen herausarbeiten müssen, um den Anstieg der Grundsteuer moderater ausfallen zu lassen.
Wir bedanken uns beim politischen Kollegium für die konstruktive Zusammenarbeit in den Ausschüssen und im Gemeinderat.