Haushaltsrede 2021 der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN 22.02.2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Sehr geehrte Damen und Herren
Die Corona-Pandemie hat uns nicht nur allgemein eine schlimme gesellschaftliche Situation beschert, sondern hat uns auch auf kommunaler Ebene finanziell vor eine große Aufgabe gestellt.
Auf der einen Seite haben wir uns für 2021 investiv eine Menge vorgenommen und auf der anderen Seite müssen wir mit einem massiven Einbruch der kommunalen Einnahmen kalkulieren. Die Einnahmen der Gemeinde sind im Wesentlichen durch den Einfluss der Pandemie massiv zurückgegangen.
Die Herscheider Firmen mussten in 2020 zum aktuellen Zeitpunkt die Gewerbsteuer an die Kommune um 0,8 Millionen Euro reduzieren und halten sich verständlicherweise für 2021 mit den Vorauszahlungen zurück. Allerdings wird man erst später sehen, wie sich das tatsächlich auf diese beiden Jahre auswirken wird. Es gibt aber auch Firmen in Herscheid, die in Geschäftsbereichen arbeiten, die eher nicht unter der Pandemie leiden mussten. Da bleibt zumindest die Hoffnung, dass in der Endabrechnung noch etwas Geld aus der Gewerbesteuer nachfließt. Und der Ansatz der Verwaltung für 2021, ein Minus von 1,35 Millionen Euro im Vergleich zu 2019 anzusetzen, erscheint in dem Zusammenhang doch sehr vorsichtig.
Ein großer Einnahme-Batzen für die Kommune ist der Anteil den die Kommune aus der Einkommensteuer generiert. Das zu erwartende Defizit aus diesem Bereich von 0,4 Millionen Euro für 2021, also ca. 10% weniger, hält sich dann noch in überschaubaren Grenzen, ist aber nachvollziehbar und unveränderbar.
Nun ist es zwar ganz nett, dass uns das Land einen buchhalterischen Trick in Form einer Bilanzierungshilfe von 1,8 Millionen gewährt, besser wäre allerdings gewesen, wenn der Staat den Kommunen durch einen Pandemie-Zuschuss bzw. durch den schon seit langem diskutierten Schuldenschnitt geholfen hätte. Denn die 1,8 Millionen sind letztlich neue Schulden und müssen in den nächsten Jahren abgestottert werden.
Wie auch immer, in der aktuellen Situation haben wir es sehr schwer, das seit 8 Jahren laufende Haushaltssicherungskonzept in 2022 zu einem guten Ende, also zum Haushaltsausgleich, zu führen.
Der Bürgermeister hat in diesem Zusammenhang angesprochen, die Grundsteuer, also das was jeder Hausbesitzer bzw. Grundstücksbesitzer, zu zahlen hat, anzuheben, aber erst in 2022. Grundsätzlich können wir das nachvollziehen, weil wir doch im Vergleich mit nachbarschaftlichen Kommunen bisher noch gut dastehen. Aber man sollte dabei mit Vorsicht vorgehen, denn Herscheid ist bis heute ein attraktiver Wohnort und sollte das auch in Zukunft bleiben. Man bedenke, dass die Bürger die hier wohnen über die Einkommensteuer schon für den dicksten Einnahmebrocken der Kommune sorgen. Also wenn wir in 2022 über Steuererhöhungen sprechen, dann gerechterweise auch über eine Erhöhung der Hebesätze für die Gewerbesteuer. Wir können uns nicht vorstellen, dass sich die Unternehmer dieser Logik verschließen.
Große Sorgen bereitet uns der stetig steigende Kassenkredit, also die Schulden die die Kommune über die Erhöhung des Minus auf dem Girokonto macht. Die Gemeinde Herscheid steht zwar nicht allein damit, den Verlockungen der Kreditwirtschaft zu erliegen (für Kassenkredite bekommt man aktuell sogar Positiv-Zinsen), aber das ist ein gefährliches Spiel. Alle sprechen zwar vom langfristigen niedrigen Zinsniveau, aber falls sich das doch ändert, wird es bitter. Bei einem Zinssatz von mal angenommen 6%, was in der Vergangenheit auf dem Girokonto nicht unüblich war, müsste die Gemeinde jedes Jahr 660.000,- Euro Zinsen zahlen. Das wäre eine Katastrophe und wir wären vermutlich nahe an einem Nothaushalt.
In diesem Jahr hat die Gemeinde eine vermutlich selten dagewesene Investitionssumme von 10,6 Millionen Euro eingeplant. Dabei muss man dem Bürgermeister mit seinem Team erst Mal ein großes Lob aussprechen, denn offensichtlich hat man es geschafft, jeden erdenklichen Fördertopf anzuzapfen. Die Gemeinschaftshalle, das Freibad, Straßensanierung, Radwegweiterbau und das Bildungszentrum werden zum größten Teil aus zugeschossenen Fremdmitteln finanziert. Auch der Ausbau des Sportplatzes mit Gebäuden könnte zumindest mit 90% bezuschusst werden.
Nachdenklich stimmt allerdings der große Aufwand für die Erneuerung aller verbliebenen 4 Feuerwehrstandorte der Gemeinde. Man darf sicher sehr froh sein, dass wir immer noch den Vorzug einer freiwilligen Feuerwehr genießen und nicht über eine teure Berufsfeuerwehr sprechen müssen, aber die Kosten von 1,5 Millionen für Rärin, 5,5 Millionen für Herscheid und die noch nicht verifizierten Summen für Hüinghausen und Oberholte, lassen zumindest staunen, dass das alles nötig ist. Das Unangenehme daran ist, dass hier keine oder nur geringe Zuschüsse zu erwarten sind. Wir sprechen also insgesamt über fast 10 Millionen Euro, die jetzt und in den nächsten paar Jahren über neue Schulden nur für die Feuerwehr aufgebracht werden müssen. Wir wissen, dass die Feuerwehr mehr als wichtig ist, Hab und Gut und Leben rettet, aber wir bitten auch darum, die jetzt kommenden Planungen auch unter dem Aspekt der wirklich notwendigen Erforderlichkeiten zu betrachten.
Wenn man all diese Summen listet wird einem ja schon ein wenig schwindelig. Und wenn man dann auch noch ein Grüner ist, sucht man fast vergeblich Investitionen in den so nötigen Klimaschutz. Im Investitionsplan ist gerade mal eine Solaranlage auf dem Rathausdach für 40.000,- Euro eingeplant. Ein Antrag unsererseits, doch bitte die Summe aufzustocken, damit auf einem Dach des neuen Schulgeländes oder der dortigen Schulturnhalle noch eine Anlage aufgebaut werden kann, wurde von den anderen Parteien unisono abgelehnt, bzw. in Aussicht gestellt, dass nach Prüfung der statischen Voraussetzungen der jeweiligen Dächer, das eventuell im nächsten Jahr zu realisieren.
Die Haltung der Gemeindevertreter wird vielleicht an einem Beispiel deutlich: Man ist stolz darauf, eine tolle Lösung für den Fuhrpark des Bauhofs gefunden zu haben, indem alle 10 Jahre ein neuer Schlepper als Ersatz für einen alten für ca. 150.000,- Euro gekauft wird, aber eine Investition in den Klimaschutz ist eher unpopulär. Selbst als aufgezeigt wurde, dass auch eine größere Photovoltaikanlage mit Stromeigenverbrauch und Einspeisung direkt ab dem ersten Jahr den Haushalt gar nicht belastet und die Investition bereits nach max. 10 Jahren durch die Einsparungen und Einspeisevergütungen zurückgezahlt ist, reichte das nicht, um es zu tun.
Ein neuer Traktor scheint da griffiger daherzukommen, gerade bei den Herren der Schöpfung.
Wir möchten allerdings die Mannschaft des Bauhofs auf keinen Fall kritisieren, im Gegenteil: Die machen einen exzellenten Job, gerade in der Zeit des erforderlichen Winterdienstes. Wir haben das nur als Beispiel hergenommen. Es hätte auch jemand auf den Gedanken kommen können, den Traktor um ein Jahr zu schieben und nicht die Solaranlage. Ein Traktor ist kein Auto, der Traktor hält ewig. Wir haben uns nicht mehr getraut, das vorzuschlagen und wollen auch gerade dem Bauhof nicht schaden.
Wir fragen uns, wann die Bürger der Gemeinde endlich spüren dürfen, dass der Klimaschutz auch in Herscheid angekommen ist. Bisher kommt der Strom ja noch aus der Steckdose und das scheint zu genügen. Klimaschutz sollte keine parteipolitische Angelegenheit sein. Das geht uns alle an.
Natürlich setzen alle auf den kommenden Klimaschutzmanager, aber erstens ist der noch lange nicht gefunden und zweitens liegen die ökologischen Potenziale im Klimaschutzkonzept auf der Hand. Also darf man durchaus jetzt schon loslegen.
Kommen wir zum Gemeindeentwicklungskonzept:
Das Einzelhandelskonzept hat aufgezeigt, dass für den Ortskern nur noch das ehemalige Presswerkgelände zur Verfügung steht, um das nahe Versorgungsangebot für die Bürger zu erweitern. In den Medien war ja bisher für den Bereich nur die GWU mit Wohnungen im Gespräch. Jetzt sollten wir uns vornehmen, dort die genehmigungstechnischen Voraussetzungen zu schaffen, um im Erdgeschoss Einzelhandel – also z.B. den empfohlenen Drogeriemarkt – anzusiedeln und in den oberen Etagen sich mal mit Mehrgenerationen-Wohnungen zu beschäftigen. Die Zeiten Alt und Jung strikt wohnungstechnisch zu trennen sind so langsam vorbei.
Unter anderem zur Schaffung weiterer Kaufkraft für Herscheid und weitere Einkommenssteuer zu generieren, macht es natürlich Sinn, weiteren Wohnraum zu schaffen. Bisher tat sich die Gemeinde leicht, am Ortsrand immer wieder neue Baugebiete auszuweisen. Schwieriger ist es natürlich, im Zentrum den Leerstand zu beseitigen, was allerdings ökologisch viel sinnvoller wäre. Wir haben annähernd 20 Stellen im Ortskern gezählt mit einer oder mehreren bebaubaren Grundstücken, die schon seit Jahren brach liegen.
Wenn wir immer nur den Ortsrand erweitern entstehen sogenannte „Donuts-Dörfer“, außen prall und innen hohl, mit schönen Siedlungen am Rand und kaputten Tankstellen und anderen ungenutzten Flächen im Kern.
Auf der anderen Seite fehlt der Gemeinde natürlich oft die rechtliche Basis, um an diesem Problem zu arbeiten. Das ist die Aufgabe von Land und Bund. Anstatt Baukindergeld mit der Gießkanne auszuschütten, bräuchte es rechtliche Möglichkeiten und Geld für die Kommune, um gezielt die Sanierung von Altbauten und industriellen Brachen zu unterstützen. Das wäre ein ressourcenschonenderer Weg, um weitere Einkommenssteuer- und Gewerbesteuereinnahmen zu schaffen. Wir sollten den Landverbrauch auf ein Mindestmaß reduzieren und vielleicht kann die Kommune ja jetzt schon im Bereich der Grundsteuern Anreize setzen.
Zur Ansiedlung von weiteren Firmen oder zur Expansion der ansässigen Firmen erscheint es uns sinnvoll, den heimischen Bauern nicht noch weiter Land wegzunehmen, sondern erstmal alles dafür zu tun, dass Brachen wie in der Weißen Ahe, Rosenthal und Verse wieder nutzbar werden.
Bei der anstehenden Dorferneuerung in Hüinghausen wünschen wir uns mehr Fingerspitzengefühl als es mit dem Alten Schulplatz in Herscheid passiert ist. Wir glauben nicht, dass sich die Hüinghauser Bürger mit so viel Beton anfreunden können. Wir bitte darum, dem ökologischen Trend zu folgen und mehr Naturstein und Holz einzusetzen. Der aktuellen Debatte in der großen Politik zur massiven
CO2-Entwicklung durch Zement bzw. Beton müssen wir uns auch in einer kleinen Kommune stellen. Übrigens: Ein Blick in die selbst erstellte „Herscheider Gestaltungsfibel“ zeigt uns den richtigen Weg.
Der tollen Initiative mit dem Dorfladen in Hüinghausen sollten wir mit ausreichender Unterstützung Rechnung tragen. Wir könnten uns gut vorstellen, dass das freiwerdende Schulgebäude für den Dorfladen und zusätzlich eine zentrale dörfliche Begegnungsstelle (z.B. Dorf-Café) passen würde.
Für die innerörtliche Infrastruktur in Herscheid und Hüinghausen würden wir uns langfristig vielleicht etwas weniger Autoverkehr, aber mehr dem Zeitgeist Rad fahren entgegenkommen.
Zitat Eckart von Hirschhausen: „Lasst uns statt fossiler Energie im Tank doch lieber Fettpölsterchen von der Hüfte verbrennen“.
In der gemeindlichen Entwicklung sollte natürlich jetzt auch der Klimaschutz ausreichend Platz finden. Wir sollten beginnen, daran zu arbeiten, möglichst selbst – also durch Kommune, Firmen und Bürger – dezentral Energie zu erzeugen. Ein Windrad neuer Generation, so wie wir es an der Versetalsperre sehen, erzeugt 10 Millionen kWh Strom pro Jahr. Das ist genau die Menge Strom, die alle Privathaushalte in Herscheid pro Jahr verbrauchen. Das Windrad in Brenscheid läuft bald aus der 20-Jahres-Förderung und soll durch ein größeres ersetzt werden. Hoffentlich werden dem Betreiber dabei keine Steine in den Weg gelegt. In der Nähe von Stottmert gibt es die zweite ausgewiesene Vorrangfläche für Windkraft. Für diesen Bereich stellen wir uns ein Windrad vor, dass von Bürgern und der Kommune selbst betrieben wird, damit alle finanziellen Vorteile in der Gemeinde bleiben.
Ein weiterer wichtiger Baustein für regenerativen Strom der Zukunft ist die Photovoltaik. Mal angenommen, dass wir rund 2000 halbwegs geeignete Dachflächen in Süd-, Ost-, oder Westausrichtung in der Gemeinde haben. Auf einer Dachfläche könnte man im Durchschnitt 8000 kWh Strom pro Jahr erzeugen. Das sind 16 Millionen kWh pro Jahr – also 1,5 Mal der komplette Strom der Privathaushalte.
Ein Bauernhof mit 180 Kühen kann mit der Gülle eine Biogasanlage betreiben und damit ca. 500.000 kWh Strom erzeugen.
Wir müssen alle Potenziale ökologisch und ökonomisch ausnutzen, damit wir für unsere Energie so wenig wie möglich auf andere und damit meistens aus fossilen Quellen erzeugte Energie angewiesen sind. Immerhin kommt der kommunale Strom bereits heute zu 100% aus ökologischen Quellen. Eben noch nicht aus eigener Produktion, aber wirklich ein erfreulicher Anfang.
Apropos Landwirtschaft. Ökologische Landwirtschaft erwirtschaftet allein in Deutschland mittlerweile 15 Milliarden Euro Umsatz. Das Vertrauen der Verbraucher in Bio-Produkte nimmt zu, das Vertrauen in konventionell erzeugte Lebensmittel stagniert oder nimmt eher ab. Diesem Trend sollten sich die Herscheider Bauern nicht zu lange verschließen. Es ist kein Geheimnis, dass es den Biobauern wirtschaftlich im Durchschnitt besser geht als denen, die ihren Hof konventionell betreiben. Der Biobauer kriegt für seine Milch rund 50% mehr als sein konventionelles Pendant.
Und jetzt noch ein Wort zur Abfallvermeidung bzw. -entsorgung. Es haben ja einige Anträge auf dem Tisch gelegen. Und in der letzten Umweltausschusssitzung war zu erkennen, dass neben einigen Politikern auch Bürger auf das Thema schauen. Momentan ist die kommunale politische Stimmung noch eindeutig gegen eine Biotonne und stattdessen aus verschiedenen Gründen für eigene Kompostierung im Garten. Schaut man sich aber mal in den Nachbarstädten um, z.B. in Lüdenscheid, Attendorn und Neuenrade, dort sind die braunen Tonnen schon seit Jahren ohne große Probleme eingeführt. Die Gegenargumente sind oft nicht ganz richtig. Ungeziefer gibt es auf dem Komposthaufen genauso wie in der Tonne, hier hat man die kleinen Tierchen, dort halt die etwas größeren. Und dass das Müllheizkraftwerk scharf auf Küchenabfälle ist, ist ein Märchen. Dieser sogenannte „biologische Nassabfall“ ist energetisch völlig uninteressant. Die Müllheizer wollen viel lieber unseren hölzernen Gartenabfall. Aber den nutzen wir ja ohnehin schon anderweitig sinnvoll. Wir sollten beim nächsten Entsorgungsvertrag nüchtern und sachlich abwägen was das Beste für uns und die Umwelt ist und dabei den Bürger finanziell nicht über Gebühr belasten.
Zum Klimaschutzkonzept: NRW hat aktuell ganze 50 Millionen Euro in Aussicht gestellt für die Maßnahmen resultierend aus den Klimaschutzkonzepten. Das ist für ganz NRW sicherlich nicht gerade üppig, aber wir gehen davon aus, dass unsere clevere Kommunalverwaltung davon wieder etwas für Herscheid abzapfen kann. Außerdem hoffen wir natürlich, dass der Klimaschutzmanager bald gefunden wird und seine Arbeit aufnehmen kann.
Unabhängig davon fordern wir die Gemeindeverwaltung auf, sich intensiv damit zu beschäftigen, ab 2022 alle kommunalen Gebäude fit zu machen zur Minimierung der CO2-Emission. Wir müssen den Herscheider Bürgern zeigen, wie Klimaschutz geht. Die KfW in Zusammenarbeit mit der EZB stellt ausreichend Mittel dafür zur Verfügung, die dafür sorgen sollen, dass Klimaschutz in kommunalen Gebäuden kein Geld kostet. Es gibt keine Ausreden mehr. Packen wir`s an.
Wir wollen nun zum Schluss die gute Arbeit der Gemeindeverwaltung und des alten Gemeinderates in den letzten Jahren honorieren und den Haushalt 2021 in der Form akzeptieren, zumal jetzt sogar doch noch haushaltssicherungskonform geplant werden kann. Allerdings werden wir ab 2022 keinem Haushalt mehr zustimmen, der den Klimaschutz vernachlässigt. Dafür ist es zu wichtig, die Natur unseres schönen Planeten zu schützen.